BEATE UWE UWE SELFIE KLICK (UA)

 

Gerhild Steinbuch

(c) 2016 Dieter Wuschanksi

Produktion des Figurentheaters Chemnitz in Kooperation mit dem Schauspiel Chemnitz

Fünf Figuren treten an, um sich zum NSU zu verhalten. Dafür greifen sie allgegenwärtige Diskurse um den Münchner NSU-Prozess auf. (Beate Zschäpe als Opfer? Drei-Täter-Theorie? NSU-Unterstützernetzwerk? Rolle des Verfassungsschutzes? Linke Propaganda gegen rechte?) Überfordert von der Vielzahl der Narrationen, ziehen sie sich an einen utopischen Strand zurück, endlich allein mit sich und der Welt. Von dort aus wehren sie alles Störende und Fremde der überaus komplexen Welt ab, bis sie sich in die Neue Rechte verwandelt haben. Sie übernehmen dabei Sprach-, Diskurs- und Verhaltensmuster, die bisher der Linken vorbehalten waren, wie z. B. jenes Thema um die Gleichberechtigung von Frauen, und provozieren.

Die Autorin Gerhild Steinbuch und die Regisseurin Laura Linnenbaum waren aufgefordert, für das Theatertreffen „Unentdeckte Nachbarn“ (1. bis 11. November 2016) ein Theaterstück über die NSU-Aufarbeitung zu entwickeln, das vor allem die wenig diskutierten Opferpositionen und die Frage nach den Netzwerken bzw. Unterstützern des NSU u. a. in Sachsen und Thüringen thematisiert. Im Sommer 2016 schrieb Gerhild Steinbuch an der Textvorlage. Sie verband das Thema NSU mit den aktuellen heftigen Diskussionen um die Migrationspolitik in Deutschland und dem europaweiten Erstarken der sogenannten Neuen Rechten. Steinbuch widersetzt sich der Sprachvernutzung durch die Identitäre Bewegung und dekonstruiert deren Strategien in durchaus unterhaltsamen Sprachspielen.

PRESSESTIMMEN

„Den Höhepunkt lieferte Laura Linnenbaum im Ostflügel des Chemnitzer Schauspielhauses. [...] "
Theater der Zeit, Januar 2017

"Was zur Uraufführung kommt, ist eine groteske Collage-Mixtur, ein mit Puppenspiel angereicherter Diskurspop-Denkraum. [...]Es ist ein wenig, als würde man Archäologen dabei zusehen, wie sie gleich unter ihren Fußabdrücken nach Zeugnissen der noch gar nicht vergangenen Geschichte suchen. Natürlich finden sie dauernd etwas. [...]

So wahnwitzig es ist, dass jahrelang eine Neonazi-Terrorzelle in Deutschland morden konnte und kurz darauf unter dem Deckmantel der Selbstermächtigung in Sachsen Tausende völkische Parolen skandierend durch die Straßen ziehen, so nötig ist es, sich diesem Ausmaß künstlerisch zu stellen. Dabei werden Anreize geschaffen, nicht denk- und reflexionsfaul zu werden. [...]

 

Kurz vor Schluss bindet fast unbemerkt im Hintergrund ein wunderschön absurdes Bild den Abend: die schmale Puppenbeate und der riesenkopfige Verfassungsschutz wiegen sich tanzend. Hätte die Regisseurin das ausgestellt und großartig kommentiert, hätte das banal bis billig wirken können. Aber Laura Linnenbaum hat ein Händchen für hintergründigen Effekt."
Lukas Pohlmann, nachtkritik.de, 02.11.2016


„[…] eine Uraufführung […], welche die Frage rund um Schuld und Verantwortung in ein rauschhaftes Figurentheaterstück übersetzt. Beate Zschäpe wird hier zur ikonenhaften Puppe, die mit dem Verfassungsschutz tanzt. Vielleicht kann Theater keine Fragen beantworten – doch es kann das Unfassbare in eine Form gießen.
Johanna Lemke, Sächsische Zeitung, 04.11.2016

 
"Das Theater Chemnitz spannt beim Festival ‚Unentdeckte Nachbarn‘ mit dem Stück ‚Beate Uwe Uwe Selfie Klick‘ einen erschreckend schlüssigen Bogen vom NSU-Terror über Pegida zu uns wohlwollend Wohlhabenden. [...] Auf der Bühne wird nicht versucht, mit Theaterkunst zu erklären, was die Justiz und Polizei noch nicht herausgefunden haben. Das Chaos, das in der Erkenntnislage herrscht, wird bis an die Schmerzgrenze zugelassen, [...] – und man will nur mitbrüllen. Aufgeben. Dichtmachen. Doch das Stück [...] lässt das nicht zu.“
Tim Hofmann, Freie Presse, 04.11.2016

"Eine der eindringlichsten Szenen: Im Text wird eine Linie von den KZ-Aufseherinnen in Ravensbrück oder Auschwitz zu heutigen rechten Frauen-Organisationen wie Skingirl-Freundeskreis oder White german girls gezogen – und dazu unzählige braunglänzende Winkekatzen auf der Bühne verteilt. [...] Ein starkes Bild in einem, notgedrungen, textlastigen Stück. Es bietet in 90 Minuten keine fertigen Antworten, sucht nach dem ‚Warum im Außerhalb‘, zeigt mögliche Strukturen und Unterstützer auf und zieht die Parallele bis hin zu den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht in Köln. Ob das Thema NSU, der zeitweise in Chemnitz lebte und seine Raubüberfälle vor allem in Südwestsachsen verübte, mit dem Tod von Böhnhardt und Mundlos und der Inhaftierung Zschäpes erledigt ist, beantwortet die Aufführung eindeutig mit Nein."

Ute Grundmann, Mannheimer Morgen,  04.11.2016




„Höhnisch greinend winken Winkekatzen. Ein Wesen mit überdimensioniertem Ballonkopf fixiert, seltsam verschwimmend zwischen naiv glotzend und heimtückisch lauernd, das Publikum. Ein nasses T-Shirt samt Jeans in Kindergröße, angespült an dieses „Strandeuropa“, schnürt einem ob der provozierten Assoziation die Kehle zu … Es sind starke Momente einer intuitiven Stimulanz, es sind Traumsequenzen gleichende Szenen einer Zerrspiegelei ganz eigener Dynamik [...]“



Double 35, 04/2017


"Das geschieht in 90 Minuten als unterhaltsame, parodistische Abklärung mit viel Ironie und Weitsicht – ohne die übliche Erklärkeule, sondern mit feinsinnigen Klingen, auch jenen giftigen besserer Argumente."
 Andreas Herrmann, Dresdner Neueste Nachrichten, 09.11.2016

Die Theater Chemnitz

BEATE UWE UWE SELFIE KLICK (UA)

Gerhild Steinbuch


Premiere: 02.November 2016
Regie: Laura Linnenbaum
Bühne und Kostüm: Valentin Baumeister
Puppen: Angela Baumgart

Dramaturgie: René Schmidt

Mit: Magda Decker, Gerlinde Tschersich; Michel Diercks, Tobias Eisenkrämer und Felix Schiller