DAS EREIGNIS
Nach dem Roman von Annie Ernaux
(c) 2023 Moritz Haase
"Ich hatte in der Toilette des Wohnheims gleichzeitig ein Leben und einen Tod zur Welt gebracht. Zum ersten Mal fühlte ich mich als Glied einer Kette von Frauen, die die Generationen miteinander verbindet."
Ein Schwangerschaftsabbruch ist eine sehr persönliche und immer auch eine politische Entscheidung, denn er berührt Fragen über Rechtsprechung, Geschlecht, Religion und Klasse. "Das Ereignis" (2000) von Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux ist ein schonungsloses Zeugnis, welches rückblickend von einer illegalen Abtreibung der Ich-Erzählerin Annie während ihres Studiums in Frankreich im Jahr 1963 erzählt.
Gleichermaßen beschreibt Ernaux den konkreten, lebensgefährlichen Eingriff in als auch den gesellschaftlichen Zugriff auf den weiblichen Körper und seine machtvollen Mechanismen, etwa Entmündigung und Stigmatisierung. Von verschiedenen Zeitebenen aus sucht Ernaux eine wahrhaftige Sprache für ihre Erinnerungen über ein bis heute oft verschwiegenes und kollektives Thema. So wie die junge Literaturstudentin Annie „das Ereignis“ für ihre körperliche Selbstbestimmung als Frau allein erträgt und nur knapp überlebt, so wird bei der späteren Autorin Ernaux die Sprache, die sie dafür findet, selbst zum Ereignis.
Ein starker, tiefschürfender Abend […].
Berliner Zeitung, 19.02.23
"Das berichtende Ich kommt dabei zu dritt: Nina Bruns, Pauline Knof und Kathrin Wehlisch sind dreimal Annie, mit einem jeweils unterschiedlichen Blick auf sich selbst. [...] Das funktioniert in der Aufteilung sehr gut und alle drei spielen hervorragend.
Die feuchte Erde und das sehr körperliche Spiel erzeugen eine Art archaischen Grundton. Es gibt an diesem Abend Momente, die in ihrer sprachlichen Deutlichkeit schwer zu ertragen sind, es gibt bisweilen aber auch eine zarte Komik der Reflexion, es gibt Wut und sehr schöne Szenen der Solidarität, wenn alle drei Ichs ihre erdigen, erschöpften Leiber aneinanderdrücken."
Berliner Morgenpost, 19.02.23
"Es passiert in den leisen Momenten. Zum Beispiel, wenn alle drei Annies zusammenrücken, verschwitzt und verdreckt, und die Worte durch ihre Körper fließen lassen, sie in die Welt pressen,
sich seelisch nackt machen. […] Die Worte hallen nach."
nachtkritik, 19.02.23
"So ungeschönt wie Ernaux schreibt, so markant sind die Bilder, die die Inszenierung für ihre innerliche Zerrissenheit findet […] Wie isoliert die Figur der Annie gegen die Gleichgültigkeit der Welt ankämpft, zeigt sich am eindrücklichsten in den stillen Momenten – vor allem dann, wenn sich die drei Darstellerinnen zu einem Ich zusammen schmiegen."
Ceecee, Februar 2023
nach dem Roman von Annie Ernaux
Premiere: 18.Februar 2023
Regie: Laura Linnenbaum
Bühne: Daniel Roskamp
Kostüm: Michaela Kratzer
Musik: David Rimsky-Korsakow
Licht: Rainer Casper
Dramaturgie: Amely Joana Haag
Mit:
GALERIE
(c) 2023 Johannes Dürr und Moritz Haase / Berliner Ensemble
(c) Schnittmenge
(c) 2023 Janic Bebi / Berliner Ensemble